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PubliCum Ex

Prädikat: Rechtstreu​

 

Vor Strichversion Akt I Szene 5 – Erklärung Cum-Ex-Geschäft

Stimme aus dem Off.

Herzlich willkommen liebes Publikum. Wir werden Ihnen nun ein Cum-Ex-Geschäftsmodell erklären. Es gab viele verschiedene Varianten bei den Vorgehensweisen der Cum-Ex-Geschäfte, die auch die unterschiedlichen Gesetzeslagen sich verändert haben. Die Details zu einer möglichen Vorgehensweise sollen uns hier aber genügen. Und auch das wird schon kompliziert, aber wir wollen Sie nicht bloß mit einer Metapher oder einer oberflächlichen Erklärung stehen lassen. Wir werde Ihnen mehrere Verstehensebenen anbieten.

Vorab, behalten Sie bitte immer folgende Wertung im Kopf, das hilft nach unserer Erfahrung: Niemand kann sich eine Steuer erstatten lassen, die nicht bezahlt wurde. Es kann nicht sein, dass eine Steuer, die nur einmal abgeführt wurde, zweimal erstattet wird. 

Stimme aus dem Off.

Herzlich willkommen liebes Publikum. Wir werden Ihnen nun ein Cum-Ex-Geschäftsmodell erklären. Es gab viele verschiedene Varianten bei den Vorgehensweisen der Cum-Ex-Geschäfte, die auch die unterschiedlichen Gesetzeslagen sich verändert haben. Die Details zu einer möglichen Vorgehensweise sollen uns hier aber genügen. Und auch das wird schon kompliziert, aber wir wollen Sie nicht bloß mit einer Metapher oder einer oberflächlichen Erklärung stehen lassen. Wir werde Ihnen mehrere Verstehensebenen anbieten.

 

Vorab, behalten Sie bitte immer folgende Wertung im Kopf, das hilft nach unserer Erfahrung: Niemand kann sich eine Steuer erstatten lassen, die nicht bezahlt wurde. Es kann nicht sein, dass eine Steuer, die nur einmal abgeführt wurde, zweimal erstattet wird. 

 

Fangen wir also an, erste Ebene! Was war die Idee, das Ziel der Cum-Ex-Beteiligten? Wie entstanden die Gewinne?

Für ein Cum-Ex-Geschäft braucht man mindestens drei Beteiligte, die mit den Aktien eines an der Börse notierten Unternehmens handeln.

Die Beteiligten wollen bei dem Geschäftsmodell mit dem Hin- und Herschieben von Aktien erreichen, dass der Staat ihnen zu viel Steuern zurückerstattet und sich daran bereichern. Einen anderen wirtschaftlichen Sinn gab es für diese Geschäfte nicht. Die Steuer, um die es geht, ist die Kapitalertragssteuer.

Die Aktiendeals werden daher so vorgenommen, dass es aussieht, als hätten zwei der Beteiligten Steuern auf die Dividende von einer Aktie – hier eine erste Fachvokabel „Dividende“, das meint den Anteil des Gewinns einer Aktiengesellschaft, der den Aktionär*innen jeweils zukommt – an den Staat zahlen müssen. Für beide Steuerzahlungen beantragen sie eine Erstattung. Gewisse Unternehmen dürfen sich nämlich die Kapitalertragssteuer erstatten lassen. Die Steuer wurde aber tatsächlich nur einmal abgeführt an den Staat. Diese doppelte „Erstattung“ – die ja tatsächlich keine „Erstattung“ war, weil sie keinem zweiten Steuerabzug gegenüberstand – stellt den Gewinn der Beteiligten dar, den sie sich aus der Staatskasse griffen. 

Niemand kann sich eine Steuer erstatten lassen, die nicht bezahlt wurde. Doch genau das haben die Cum-Ex-Beteiligten getan.

Nun ausführlicher:

Folie 1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hierfür benötigen wir zunächst folgende Beteiligte. Hier oben links haben wir eine Aktiengesellschaft, einen DAX-Konzern. Hier oben rechts haben wir den Staat als Träger des Staatsvermögens, also den „Fiskus“. Hierhin fließen die Steuergelder und hieraus werden auch Erstattungen gezahlt. 

 

In der Mitte sehen Sie die drei Investor*innen, die für das Modell nötig sind. Das sind X, U und W. Alles drei sind Gesellschaften mit Sitz in Deutschland. Sie nehmen im Folgenden folgende Rollen ein: Aktieninhaber*in, Leerkäufer*in, Leerverkäufer*in.  

 

Diese Investor*innen nutzen Depotbanken, welche die Aktiengeschäfte abwickeln und bei der Steuererstattung einbezogen sind. Zwei der Depotbanken sind inländische Banken, eine sitzt im Ausland, das wird später wichtig.

Folie 2

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Aktienunternehmen gibt Aktien aus, bzw. verkauft sie, so auch an unsere Investorin X. Eine Aktie ist ein Anteil, eine Beteiligung an einem Aktienunternehmen. X ist hier „reguläre“ Aktionärin, das heißt Miteigentümerin der AG.  

 

X hält Aktien im Wert von 100€ an der AG. Die Aktien werden von ihrer Depotbank verwahrt und verwaltet. 

 

Einmal im Jahr kommt es zur Gewinnausschüttung. Um diesen Zeitpunkt herum spielen sich die hier skizzierten Deals ab, es passieren mehrere Vorgänge parallel.  

 

Bleiben wir erstmal bei X, das ist zunächst der „normale“ Ablauf. 

Folie 3

 

 

Die Gewinnausschüttung wird auf der üblicherweise jährlich stattfindenden Hauptversammlung der Aktionär*innen beschlossen, Gegenstand ist die Dividendenverteilung an die Eigentümer*innen der AG mit dem Gewinnverteilungsbeschluss. Freilich nur dann, wenn die AG erfolgreich gewirtschaftet hat. Das ist in unserem Beispiel der Fall.

Alle Aktionär*innen, die am Tag der Hauptversammlung die Aktien an der AG halten, haben Anspruch auf einen Teil des Gewinns, auf die Dividende. Kurz vor der Hauptversammlung, sprich der Gewinnausschüttung, werden die Aktien so auch „Cum-Aktien“ genannt, von cum = lateinisch „mit“, weil die Aktien mit dem Anspruch auf Gewinn versehen sind. Nach der Hauptversammlung werden die Aktien „Ex-Aktien“ genannt, weil die Berechtigung auf den Gewinnanteil bis zur nächsten Hauptversammlung erloschen ist, die Aktie ist also ex = lateinisch „ohne“ Anspruch. Der Tag der Hauptversammlung, der Dividendenstichtag, heißt deshalb auch der „Ex-Tag“, weil die Aktien ab diesem Zeitpunkt wieder ohne Berechtigung auf Dividende gehandelt werden.  

 

Weil es um eben diesen Handel mit Cum- und Ex-Aktien über den Dividendenstichtag geht, nennt man das Modell „Cum-Ex“. 

 

Lee Einwurf 

       Na bitte! Sag ich doch! Cum – Ex. 

Marvin lacht 

       Ok, erwischt. Guilty as charged. Wir machen hier cum sexy.

 

Stimme geht weiter. 

Zurück zum Beispiel: bei uns bekommt X als Aktionärin also ihre Dividende ausgezahlt. 

Sagen wir mal, die Hauptversammlung hätte beschlossen, eine Dividende in Höhe von 10% das Aktienwertes auszuschütten. X gehören Aktien im Wert von 100€. Das macht 10€ Dividende. Allerdings bekommt X nicht die volle „Brutto“-Dividende ausbezahlt. Denn auf die Dividende, also den Ertrag, den Gewinn aus dem Aktienvermögen, fällt eine Kapitalertragssteuer an. Und zwar, an dieser Stelle etwas vereinfacht, pauschal in Höhe von 25% des Ertrages. Das macht hier 2,50 €. Die Steuerschuld tragen die Aktionär*innen. Bevor die Aktionär*innen jedoch alle einzeln die Steuer an den Staat abführen, behält die AG direkt für alle ihre Aktionär*innen die 25% Kapitalertragsteuer ein und führt sie auf deren Rechnung an den Staat ab.

 

X als Aktionären bekommt damit von vornherein nur ihre „Netto-Dividende“ in Höhe von 7,50 € ausgezahlt.  

Folie 4

 

Bestimmte Institutionen sind aber gesetzlich von dieser Steuer befreit bzw. werden sie anders besteuert. Das ist beispielweise so bei Investitionsgesellschaften, deren Gesellschaftszweck der Handel und die Vermittlung von Gesellschaftsbeteiligungen ist.

 

Lee Einwurf 

       Diese Befreiungsgründe sollte man sich mal kritisch ansehen.

 

Stimme weiter

X ist genau eine solche Investitionsgesellschaft und somit kapitalertragssteuerbefreit. Die Steuer wurde für X nun aber von der AG bereits automatisch an den Fiskus abgeführt. Um das wieder zu „korrigieren“, erhält X von ihrer inländischen Depotbank eine Steuerbescheinigung über diesen Vorgang, also dass X nur die Netto-Dividende erhalten hat. Nur inländische Depotbanken können diese Steuerbescheinigung ausstellen. 

 

Mit dieser Bescheinigung kann X sich die 25% bereits abgeführte Kapitalertragssteuer wieder vom Staat erstatten bzw. auf ihre Steuerschuld anrechnen lassen. 

 

Dies ist also die Konsequenz, die sich aus der automatischen Steuerabführung durch die AG einerseits, der Kapitalertragssteuerbefreiung von X andererseits ergibt. X bekommt 2,50€ vom Staat erstattet. 

Wie kommt es nun zur zweiten Steuererstattung?  

Folie 5

 

 

Das wird juristisch etwas kompliziert. Behalten Sie im Kopf, es geht die ganze Zeit um ein und dieselbe Aktie, die von unseren drei Beteiligten zwischen sich hin- und hergeschoben, verkauft und übereignet wird. 

 

Aktien können auf zwei Arten gehandelt werden. Entweder über die Börse direkt, das unterliegt strengen Regeln. Oder außerbörslich, das wird auch „OTC“, Abkürzung für „over the counter“, genannt.  

 

Marvin Einwurf 

      Over the counter, sprich: über die Ladentheke.

 

Stimme weiter

Im Fall eines solchen OTC-Handels schließen die Beteiligten außerhalb der Börsen-Regularien einen Kaufvertrag über die Aktie ab. Darin können sie insbesondere vereinbaren, dass die Aktie zwar jetzt schon gekauft, im Sinne von ‚bezahlt‘, aber erst später geliefert und übereignet wird. Erst dann wird man tatsächliche Eigentümer*in. 

 

So einen OTC-Kaufvertrag haben in unserem Beispiel auch U und W abgeschlossen. U tritt dabei als Verkäuferin auf und W als Käuferin.  

 

Aber – und das mag nun kurz verwirrend sein – U gehört die Aktie zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses zwischen U und W ja gar nicht. Inhaberin ist weiterhin X. So ein Kaufvertragsschluss zwischen U und W ist trotzdem möglich und anerkannt. Man nennt diesen einen Leerverkauf.  

U kann nämlich nach dem Abschluss des Kaufvertrages mit W die Aktie von X erwerben und dann W beliefern, weil die beiden einen späteren Lieferungszeitpunkt vereinbart haben und so den Kaufvertrag erfüllen. U ist Leerverkäuferin, W ist Leerkäuferin und X unsere Inhaberin im Ausgangspunkt. 

Jetzt kommt als letztes Element hinzu, dass der Handel nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt stattfinden, sondern um den Ex-Tag herum. 

 

Lee Einwurf 

       Der Tag also, an dem die Dividendenausschüttung veranlasst wird.

 

Stimme weiter 

U verkauft die Aktie an W als Cum-Aktie kurz vor der Hauptversammlung, ihr Wert beträgt also mehr als 100 €, weil das Anrecht auf die baldige Gewinnausschüttung eingepreist ist. Sagen wir in unserem Fall U und W vereinbaren daher einen Kaufpreis von 110 € für die Cum-Aktie. Lieferung ist aber erst für einen späteren Zeitpunkt, und zwar nach der Hauptversammlung, sprich der Gewinnausschüttung angesetzt.

 

Marvin Einwurf 

       Cum-Aktien sind deshalb „teurer“ als Ex-Aktien, weil sie noch den Anspruch auf die Dividende enthalten, die Aktie mehr „wert“ ist. Beim Börsenwert zu der Aktie wird dies vermerkt.

 

Stimme weiter

Folie 6

 

Es kommt zum Tag der Hauptversammlung. Wir erinnern uns, X erhält die Netto-Dividende plus die Steuerbescheinigung für die Erstattung. X ist Inhaberin der Aktie, die Aktie befindet sich in ihrem Depot, sie ist als Aktionärin vermerkt, anders U und W, sie halten die Aktie nicht in ihrem Depot, auch die AG „weiß“ ja nichts von ihnen, sie haben nur einen Vertrag über den Verkauf und die spätere Lieferung geschlossen, sind hingegen keine tatsächlichen Eigentümer*innen und damit nicht dividendenberechtigt. 

Nach der Ausschüttung ist die Aktie als Ex-Aktie wieder nur 100€ wert.  

 

Für diesen Wert kauft nun U die Aktie bei X, um dann, wie vereinbart, die Aktie an W liefern zu können. 

Aber: W hatte mit U einen Vertrag über eine Cum-Aktie, im Wert von 110€, nicht 100€, geschlossen, W kann jetzt allerdings bloß eine Ex-Aktie ohne Dividende liefern. Deswegen muss U Kompensation, Schadensersatz, zahlen an W, um diese fehlenden 10€ auszugleichen. Und nun kommt der Clou: also, U müsste eigentlich 10€ an W zahlen.

 

Diese Ausgleichzahlung nennt man Dividendenkompensationszahlung. Diese Dividendenkompensationszahlung wird vom Steuerrecht so behandelt wie die Dividende selbst. Das heißt – richtig – auch auf die Kompensationszahlung fällt die Kapitalertragssteuer an, wieder in Höhe von 2,50€, 25% von den 10€ Kompensationszahlung. 

 

Bei der Dividende führt das Aktienunternehmen automatisch die Steuer ab. Bei der Kompensationszahlung dagegen übernehmen das die Depotbanken, die ja die Aktien verwalten und die Kompensationszahlungen ausführen.

Allerdings führen nur inländische Depotbanken diese Steuer ab, ausländische hingegen nicht. Denn nach dem deutschen Gesetz sind ausdrücklich nur inländische Banken zum Abzug verpflichtet. Das hat der Gesetzgeber bewusst so entschieden. 

 

Lee Einwurf 

       Ah, um diesen Punkt ging es doch bei der Gesetzesänderung 2007!

 

Stimme weiter 

Folie 7 

Und – Sie können es sich vielleicht schon denken – U benutzt für die Kompensationszahlung eine ausländische Depotbank, die keine Steuern auf Kompensationszahlungen an den deutschen Fiskus abführt! Trotzdem überweist U über ihre ausländische Depotbank lediglich 7,50€ an die inländische Depotbank von W, ganz so, als ob Steuern in Höhe von 25% abgezogen worden wären. U und W sind jedoch auch beide kapitalertragsteuerbefreit, die Befreiung gilt entsprechend auch für die Steuer auf die Kompensationszahlung.

Für W stellt also seine inländische Depotbank eine Steuerbescheinigung darüber aus, dass W nur eine Kompensationszahlung in Höhe der Netto-Dividende (7,50€) erhalten hat, obgleich sie befreit ist von der Steuer. Die Depotbank kann im Übrigen auch nicht nachprüfen, ob die Depotbank von W die Steuer tatsächlich abgeführt hat.

Melanie Einwurf

Das sieht genauso aus wie bei X, der Betrag einer Netto-Dividende wird überwiesen, woraus ich schließe, dass Steuern einbehalten und abgeführt worden sind. So muss es auch für den Fiskus aussehen.

Stimme weiter

Mit dieser Steuerbescheinigung kann sich W die „fehlenden“ 2,50€, den vermeintlichen Steuerabzug, erstatten lassen vom Staat.  

 

Lee Einwurf 

Also Rückerstattung einer Steuer, die nie gezahlt wurde?

 

Stimme weiter

Folie 8

 

 

 

 

 

 

 

 

Zusammen mit der Zahlung von 7,50€ bekommt W genau 10€ Ausgleich. U musste im Ergebnis dabei aber nicht 10€ aufbringen, sondern nur 7,50€. Sie hat sich die 2,50€ gespart, die gewissermaßen der Staat übernommen hat, weil er fälschlicherweise einen angenommenen Steuerabzug erstattet hat.

 

Marvin Einwurf lachend 

Diese 2,50€ sind also unser Gewinn, den wir uns teilen, finanziert vom großzügigen Vater Staat, von euch, liebes Publikum.

 

Stimme weiter

Um den individuellen Gewinn auszurechnen, teilen Sie den Betrag durch, hier exakt durch drei: 2,50€ : 3, das ergibt gerundet 83 Cents. In unserem immer noch stark vereinfachten Beispiel hätten die Beteiligten alle also etwa 83 Cents Gewinn gemacht. 

 

Marvin Einwurf 

In der Realität handeln wir natürlich nicht nur mit einer Aktie im Wert von 100 €, sondern mit 8stelligen Beträgen, sonst lohnt sich das ja gar nicht. Rechnen Sie sich da gerne mal aus, wieviel Gewinn da zusammenkommt. Außerdem kann man auch noch mehr Akteure involvieren und so noch viel mehr Geld mit einer Aktie machen.

 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 

Weitere Informationen finden Sie unter:

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